– Eröffnungskongress

Wir brechen auf, bevor es zu spät ist!

Diskussionspanels, wissenschaftliche Inputs, Workshops, spirituelle Angebote: Der Eröffnungskongress des Ukama-Zentrums war eine Plattform zivilgesellschaftlicher Vernetzung. Rund 150 Teilnehmerinnern und Teilnehmer haben gemeinsam neue Perspektiven und Strategien im Kampf gegen die Klimakrise erarbeitet.

Kommunikativ und kreativ, manchmal kontrovers, aber immer konstruktiv verlief der Eröffnungskongress des Nürnberger Ukama-Zentrums und war somit „ein großer Erfolg“ aus Sicht von Dr. Jörg Alt SJ. Der Jesuit, Buchautor und Klimaaktivist lebt und arbeitet im Ukama-Zentrum für Sozial-Ökologische Transformation. Im Nürnberger Norden wirkt die neue Einrichtung der Jesuiten als Think Tank, Bildungsstätte, Vernetzungsort und spirituelles Zentrum, als Stützpunkt des Ordens im Einsatz für soziale und ökologische Gerechtig­keit, gemäß seiner inhaltlichen Ausrichtung, den Universellen Apostolischen Präferenzen.

So wurde auch der Eröffnungskongress des Ukama-Zentrums zu einer Plattform zivilgesellschaftlicher Vernetzung für rund 150 Menschen „aller Altersstufen und mit ganz unterschiedlichem sozialen Hintergrund“ (Alt) über drei Tage mit Diskussionspanels, wissenschaftlichen Inputs, Workshops und spirituellen Angeboten.

Zukunft der Kirche: Jesuit Volunteers diskutieren mit dem Erzbischof

Zum 35-jährigen Jubiläum des jesuitischen Freiwilligendiensts Jesuit Volunteers startet der Kongress im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus mit einer leidenschaftlich geführten Podiumsdiskussion zweier Ex-JVs mit Bambergs Erzbischof Ludwig Schick. Neben der Rolle der Kirche im Kampf gegen die Klimakrise, vor Ort in den Diözesen und auf weltkirchlicher Ebene, stehen Themen wie Sexualmoral, Frauenweihe, synodaler Weg im Fokus.

Dass die großen Krisen unserer Tage – die drohende Klimakatastrophe, Kriege, globale Ungerechtigkeit, soziale Verwerfungen – tatsächlich die Facetten einer gewaltigen Krise sind, wird den Teilnehmenden des Kongresses am Samstag bewusst. Viele Aha-Momente bringen Podiumsgespräche und Inputs von und mit Wissenschaftlern und Aktivist:innen.

Menschenrechte: Europa am Scheideweg

Etwa dass „Bürgerrechte“ schwerer wiegen als „Menschenrechte“, wenn es um die Rechte von Migrant:innen geht, wie der Jesuit Courage Bakasa SJ deutlich macht, der in seiner Essener Kommunität zusammen mit Geflüchteten lebt und selbst aus Simbabwe stammt. Die europäische Wertebasis habe, sagt Prof. Heiner Bielefeldt vom Lehrstuhl für Menschenrechtspolitik der FAU Erlangen-Nürnberg, das Zeug, Menschenrechten ein solides Fundament zu geben. Doch sei die EU mit ihrer Abschottungspolitik an den Grenzen auf dem Holzweg: „Flüchtlingspolitik wird zur Nagelprobe.“

Klimagerechtigkeit und Aktivismus

„Emissionen vermeiden – und zwar schnell und dramatisch!“, fordert eindringlich Klimaforscher Prof. Wolfgang Lucht vom PIK Potsdam Institute for Climate Impact Research, zudem im Klima-Sachverständigenrat der Bundesregierung. Denn: „Wenn wir nicht jetzt handeln, zerstören wir nicht nur die Lebensgrundlagen der Menschen im Globalen Süden, sondern auch die unserer Kinder.“ Klimagerechtigkeit bedeutet also nicht nur auch weltweit soziale Gerechtigkeit, sondern ebenso Generationengerechtigkeit.

Henning Jeschke, Klimaaktivist und Mitbegründer von „Letzte Generation“, zeigt, was es bedeuten kann, eine drohende Katastrophe mit entsprechender Dringlichkeit anzukämpfen: Hungerstreik vor dem Reichstag brachte ihn und Mitstreiter:innen 2021 auf die Intensivstation, andere Formen gewaltfreien zivilen Widerstands kurzzeitig ins Gefängnis: „Wenn die Zellentür hinter dir zufällt, weißt du, dass das in diesem Moment der richtige Platz ist.“

Eine neue planetare Ethik

Dass es tatsächlich einen ganz grundlegenden gesellschaftlichen Paradigmenwechsel braucht, im Auge der Klimakatastrophe, erklärt Prof. Florian Hörmann (HS Augsburg), der nicht weniger fordert als die Notwendigkeit einer ethischen Revolution und die Abkehr von der Wachstums-Doktrin, auch wenn sie grün ist.

Der Experte für Maschinenbau und Verfahrenstechnik macht deutlich: "Technische Innovationen wie Elektromobilität, Digitalisierung, erneuerbare Energien oder Kreislaufwirtschaft reichen nicht aus, sie können sogar als Brandbeschleuniger der Krise wirken. Wir benötigen eine neue planetare Ethik, die den Menschen als Teil seiner Umwelt begreift." 

Unangenehme Fragen an die Politik

Dass es ihm Sorgen bereite, wenn es Bürgerinnen und Bürger der gegenwärtigen Form von Demokratie nicht zutrauen, die Klimakatastrophe als größte Bedrohung der Menschheit zu verhindern, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf dem Abschluss-Podium am Sonntagvormittag, muss aber das Versagen der bayerischen Staatsregierung einräumen: Nur 4 Prozent aller Dächer von Gebäuden, die dem Freistaat gehören, sind mit Solar-Panels ausgestattet, rechnet ihm Kurt Heidingsfelder (Nürnberger Nachrichten) vor, der die Podiumsdiskussion mit SPD-MdB Dr. Bärbel Kofler (Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und Nürnbergs Grüner Umwelt- und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm moderiert.

Eine Frage des Geldes?

Klamme Etats seien es meist, die eine konsequent klimafreundliche Politik verhindern, bekunden die Poliker:innen, sei es nun im Nürnberger Stadtrat, wo etwa das 365-Euro-Ticket durchfiel oder, auf globaler Ebene in Ländern wie Pakistan, die stark von der Klimakrise betroffen sind, aber minimale Steuerquoten haben und unter Korruption leiden.

Jörg Alt SJ hält als Anwalt des Publikums dagegen, angesichts des 200-Milliarden-Pakets der deutschen Bundesregierung gegen die Energiekrise: „Für vieles wird Geld gefunden, aber nicht für den Klimaschutz.“

Trotz der offensichtlichen Kluft zwischen Realpolitik und den notwendigen politischen Maßnahmen zieht er eine durchweg positive Bilanz des Kongresses: „Wir müssen viel miteinander reden und Vernetzungsarbeit leisten. Das haben wir mit dem programmatischen Start des Ukama-Zentrums geschafft.“

„Ein großer Erfolg“

Statements von Ukama-Mitinitiator Dr. Jörg Alt SJ und Bernhard Bürgler SJ, Provinzial der Jesuiten in Zentraleuropa:

Eindrücke vom Eröffnungskongress