Jesuiten, sozial-ökologische Transformation und Organisationsentwicklung
Mit seiner 4. Universalen Apostolischen Präferenz hat sich der Jesuitenorden weltweit verpflichtet, für das gemeinsame Haus, die Erde, zu sorgen und dabei mit anderen gesellschaftlichen Akteuren zusammenzuarbeiten. Welchen Beitrag kann Organisationsentwicklung leisten, damit diese apostolische Präferenz in ignatianischen Schulen und Ordenseinrichtungen noch stärkere praktische Wirksamkeit entfalten kann? Mit dieser Frage befasste sich am 20. und 21. Oktober ein Workshop im Heinrich-Pesch-Haus Ludwigshafen.
Vorbereitet wurde die Veranstaltung von Laudato-si‘-Referentin Judit Bartel und der Referentin für sozial-ökologische Transformation am Heinrich-Pesch-Haus, Johanna Rist. Die Beteiligten kamen aus der Schulentwicklung des Zentrums für ignatianische Pädagogik, der Ordensentwicklung am Kardinal-König-Haus, der Provinzverwaltung und dem Jesuitenkolleg Innsbruck. Zum Einstieg stellten alle Beteiligten kurz vor, was ihre Einrichtung bereits tut, um in der Sorge um das gemeinsame Haus zusammenzuarbeiten und an der Seite der Armen unterwegs zu sein (wie es die zweite und vierte Präferenz des Ordens vorsehen). Die Beiträge waren sehr vielfältig: Eine Orientierung an Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, 100% Ökostrom als Standard und eine durchmischte Mieterschaft in den Immobilien der Jesuiten in Deutschland sind ein Beispiel. Formate, die alle Beteiligten in lebendigen Kontakt mit Fragestellungen sozial-ökologischer Transformation und entsprechenden Veränderungen der eigenen Alltagspraktiken bringen sollen, sind ein weiteres Beispiel.
Am ersten Nachmittag fanden eine Reihe von Kurzimpulsen zu bestehenden Ansätzen und Erfahrungen statt. Johanna Rist stellte den aus der Bildung für nachhaltige Entwicklung entstandenen Whole Institution Approach vor. Dieser begleitet Einrichtungen dabei, alle Bereiche einer Organisation an Kriterien von Nachhaltigkeit auszurichten (Produkt/Dienstleistung, Bewirtschaftung und Beschaffung, Gebäude, Mobilität, Organisation und Teamentwicklung, Finanzen). Judit Bartel arbeitete heraus, was Permakultur als systemischer Ansatz dazu beitragen kann, dass Organisationen ihr Selbstverständnis verändern und sich stärker als Akteure von sozial-ökologischer Transformation verstehen. Die Herangehensweise der Permakultur ermöglicht Organisationen darüber hinaus ein stärkeres In-den-Blick-nehmen ihres Eingebettet-Seins in gesellschaftliche wie ökologische Systeme auf lokaler, regionaler wie globaler Ebene. Denn die Gestaltungsprinzipien der Permakultur lenken mit Leitsätzen wie: „Nutze Selbstregulation und akzeptiere Feedback“ oder „Integriere eher als zu trennen“ den Blick auf die Beziehungen einer Organisation zu ihrem Umfeld.
In der Präsentation von Pater Rieder zur klimaneutralen Wärmeversorgung in St. Blasien wurde deutlich, wie wichtig ein Schlüsselmoment war, um das Projekt in Gang zu bringen. Dieser hatte gezeigt, dass die bisherige Wärmeversorgung nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch nicht mehr tragfähig ist. Als Erfolgsfaktoren für die Umsetzung benannte er: die Zusammenarbeit mit schon bekannten und kompetenten regionalen Planungs- wie Handwerkspartnern, ein externes Controlling sowie ein Finanzierungskonzept, das auch die Überbrückungszeit abdeckt, bis Fördermittel ausgezahlt werden.
Verena Urban präsentierte Erfahrungen des Zentrums für Ignatianische Pädagogik (ZIP) aus Schul- und Organisationsentwicklungsprozesse. Bezugspunkt vieler dieser Prozesse ist ein Evaluationstool, das in Zusammenarbeit mit dem Sinus-Institut und der Universität Mainz entwickelt wurde. Die Ergebnisse der Erhebung werden genutzt, um partizipativ gestaltete Prozesse in den Schulgemeinschaften anstoßen zu können. Die Schul- und Organisationsentwicklung fußt auf dem am ZIP entwickelten Bildungskonzept (HumanismusPlus). Dieses wurde in verschiedenen wissenschaftlichen Projekten validiert und für Unterricht und Schulalltag konkret ausbuchstabiert. Die Integration des Fokus „Bewahrung des gemeinsamen Hauses“ ist in Arbeit.
Am zweiten Tag führte uns Organisationsentwickler Adrian Sina Vollmer online in Herangehensweisen von Transformationsdesign ein. Seine Thesen lauteten: Alle gestalten. Und: Alles gestaltet. Mit letzterer These machte er deutlich, dass auch die Art und Weise, wie Dinge, Prozesse, soziale Räume, Versorgungsstrukturen etc. gestaltet sind, auf uns zurückwirkt. Anhand eines Austauschs zur Frage, wo uns in den letzten 24 Stunden schlechtes Design begegnet ist, entwickelten wir ein Verständnis, was gutes Design ausmacht: es ermächtigt und beteiligt, und es setzt an den Bedürfnissen von Menschen an. Weiter wurde deutlich, dass tiefgehende Transformationsprozesse immer auch Ängste hervorrufen können, Verlusterfahrungen sind und als identitätsgefährdend wahrgenommen werden können, weswegen sie einen psychologisch sicheren Raum brauchen. Mit dem 3-Horizonte-Modell von Bill Sharpe gab Vollmer uns ein Werkzeug in die Hand, wie wir verschiedene gesellschaftliche Veränderungsimpulse (wie E-Mobilität oder Solidarische Landwirtschaften) in ein größeres Bild einordnen und einschätzen können, was sie zu Transformation beitragen.
Eine Frage tauchte im Verlauf der zwei Tage immer wieder auf: Was können Anstöße oder Eingangstüren sein, dass Institutionen sich in Organisationsentwicklungsprozesse auf dem Feld der sozial-ökologischen Transformation begeben? Die letzten Stunden unseres Treffens widmeten wir der Arbeit in Kleingruppen an einer Checkliste, die Verantwortlichen erlaubt, sich selbst ein Bild dazu verschaffen, wie die Institution im Blick auf die Umsetzung der vierten apostolischen Präferenz unterwegs ist. Als Ausgangsbasis dienen zunächst die Checkliste der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB) zum Whole Institution Approach und die Matrix der Gemeinwohlökonomie. Wir werden an der Checkliste weiterarbeiten und sie in unseren jeweiligen Kontexten erproben. Daneben scheint es uns vielversprechend, Aspekte von sozial-ökologischer Transformation gezielt in bestehende Organisationsentwicklungsprozesse zu integrieren. Kommen Sie dazu gern auf uns als Laudato-si‘-Team und/oder das Heinrich-Pesch-Haus zu!
Judit Bartel,
Laudato-Si'-Referentin der ECE-Provinz der Jesuiten
